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Esther Weidauer

Keine Plattform für Hass

Ein kleiner Leitfaden für Gegenrede zu Trans-Feindlichkeit.

2022-07-07

Spray painted speech bubble with three dots in it and an overlay of the trans pride colors

Ein kleiner Leitfaden für Gegenrede zu Trans-Feindlichkeit.

Trans-Feindliche Agitation nimmt im Kontext des geplanten Selbstbestimmungsgesetztes auch in Deutschland stark zu. Nachdem ähnliche Diskurse in den vergangenen Jahren auch in Großbritannien geführt wurden, erleben wir hier eine Neuauflage der gleichen Anfeindungen, Unterstellungen und Panik-Mache. Leider sehe ich immer wieder wie trans Personen oder Allies sich in Diskussionen verwickeln lassen die letztendlich mehr schaden als nützen, was oft das Ziel der Gegenseite ist. Daher möchte ich eine paar Ratschläge zusammen tragen die hoffentlich helfen können das zu vermeiden.

Mit wem reden wir da?

Zunächst ist wichtig zu wissen, wem wir in Gesprächen alles begegnen können. Da sind Allies die nicht gut genug informiert sind und Fehler machen obwohl sie es gut meinen, die große Mehrheit die schlicht keine Ahnung von Trans-Geschlechtlichkeit hat und alles mehr so am Rande mitbekommt, und dann diejenigen die aktiv trans-feindliche Ideen verbreiten und gegen Dinge wie das Selbstbestimmungsgesetz oder Inklusion von trans Menschen vorgehen wollen. Ich möchte besonders auf Letztere eingehen da es die mit Abstand lauteste und aggressivste Gruppe ist, als auch die rhetorisch gefährlichste. Die anderen beiden Gruppen sind tatsächlich oft für sachliche Argumente oder unsere persönlichen Ansichten empfänglich, auch wenn es manchmal frustrierend und anstrengend sein kann.

An wen richten wir uns?

Bei Gesprächen mit Menschen die aktiv und aus Überzeugung trans-feindlich auftreten nehmen viele an, ihnen zu begegnen zu können als sei es ein Gespräch auf Augenhöhe, mit dem Ziel sich gemeinsam der Wahrheit oder einem Konsens zu nähern. Diese Annahme ist in der Regel ein schwerer Fehler.

Was tatsächlich stattfindet ist eine Diskussion vor Publikum mit dem Ziel eben dieses zu überzeugen, ähnlich einer politischen Debatte (zB Duell zwischen Wahlkandidat*innen), allerdings meist ohne Moderation oder formelle Regeln. In so einer politischen Debatte kommt es schlicht nicht vor, dass sich die Partien gegenzeitig von irgendetwas überzeugen. Wenn zB eine Kandidatin der Grünen dem Unions-Kandidaten vorwirft nicht genug für den Klimaschutz zu tun, will sie damit nicht erreichen dass dieser einlenkt und seine Agenda ändert. Sie will dem Publikum mitteilen “Wenn ihr den wählt, wird er nicht genug für Klimaschutz tun.”.

Das ist auch der Grund weshalb TERFs so viel Wert darauf legen, Diskussionen in der Öffentlichkeit zu führen. Sie brauchen ein Publikum, denn ohne Publikum hat für sie das Gespräch keinen Nutzen. Ihnen ist bewusst, dass die keine trans Person von ihren hasserfüllten Behauptungen überzeugen werden. Ohne Publikum können die allenfalls erreichen einzelne Personen emotional fertig zu machen, was allerdings für sie auch eine ineffiziente Strategie ist.

Sollten wir überhaupt mit denen reden?

In den meisten Fällen: nein.

Wer offen trans-feindlich auftritt wird sich meistens nicht von dieser Position abbringen lassen, schon gar nicht von einer trans Person. Alles was wir sagen kann und wird als Teil einer Verschwörung ausgelegt und damit diskreditiert werden. Diese Diskussionen führen in der Regel zu nichts und rauben uns nur die Kraft die wir für sinnvollere Dinge brauchen.

Wie gesagt geht es darum, uns vor einem Publikum vorzuführen. Folglich ist ein effektives Mittel, Zugang zu Publikum zu verwehren, und sich nicht auf dieses rhetorische Spielchen einzulassen. Im Zweifelsfall bringt es denen nur mehr Aufmerksamkeit und wenn die Gegenrede nicht gut vorbereitet und wasserdicht ist, kann es auch schnell nach hinten losgehen. Für trans Menschen sind diese Diskussionen verständlicherweise sehr emotional und es passiert leicht, sich im Ton zu vergreifen, was TERFs dann sehr gerne aufgreifen um ihrem Publikum zu “beweisen” wie unsachlich wir angeblich seien.

Grundsätzlich würde ich dazu raten, wenn überhaupt, dann nur gut vorbereitet in so ein Gespräch zu gehen. Die meisten von uns haben weder die Kraft noch ausreichend gut vorbereitete Argumente um dem Schwall an Unsinn der in diesen Gesprächen kommt genug entgegen zu halten. Und ich habe keine Zweifel dass TERFs die aggressiv auf trans Menschen einreden ihre Behauptungen und Phrasen vorbereitet haben. Die Aussagen kommen so schnell und in so einem Umfang, dass sie entweder auswendig gelernt sind oder aus vorbereiteten Notizen kopiert werden. Auf derartige Strategien muss sich einstellen wer sich auf das Gespräch einlässt und wer das tut sollte sich ähnlich gut wappnen. Eine solche Debatte ist kein fairer, offener Austausch von Ideen, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Ziel sie zu gewinnen, also das Publikum möglichst zu überzeugen.

Wie sollten wir reden?

Wenn wir uns auf diese Konfrontationen einlassen, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, wer die Zielgruppe ist und mit welchen Mittel gearbeitet wird. Wie schon gesagt richten sich diese Diskussionen nur scheinbar an das Gegenüber, in Wirklichkeit jedoch an ein Publikum. Das kann sehr offensichtlich so sein, zB in einer Podiumsdiskussion, oder etwas unschärfer, zB auf sozialen Netzwerken (oft Twitter).

Wir sollten und auch dessen bewusst sein dass trans-feindliche Agitation nicht auf sachlicher sondern auf emotionaler Ebene arbeitet. Es geht nicht um Fakten oder Wissenschaft, sondern um Gefühle, vor allem Angst. Angst ist das Hauptwerkzeug mit dem Trans-Feindlichkeit verbreitet wird. Trans Menschen werden als Bedrohung konstruiert, seien es die “Schutzräume” in die wir angeblich “eindringen” oder das Märchen der “Frühsexualisierung von Kindern” das in in der Vergangenheit bereits gegen diverse queere Menschen eingesetzt wurde.

Beide Erzählungen versuchen sehr tief sitzende Ängste zu schüren, was schnell dazu führen kann, dass Menschen nicht mehr rational über das Thema nachdenken. Selbstschutz und Schutz von Kindern sind sehr starke Instinkte die leicht Dinge wie Vernunft und Empathie aushebeln können. Es wird dann sehr schwer mit Fakten zu argumentieren und Einzelfälle die Vorurteile bestätigen erhalten oft mehr emotionales Gewicht als belastbare Statistiken die das Gegenteil belegen.

Daher ist es meistens sinnvoller sich gar nicht erst auf diese Ebene zu begeben. Stattdessen bringt es oft mehr, die sachlichen Argumente für Trans-Inklusion, rechtliche Verbesserungen, etc. direkt zu präsentieren, abseits dieser manipulativen Debatten, und eventuelle reaktionäre Versuche solche Diskussionen zu beginnen nicht mit Aufmerksamkeit zu belohnen. Z.B. Kommentare auf der eigenen Webseite oder Antworten auf Tweets konsequent zu moderieren und zu entfernen ist vollkommen legitim. Das hat auch nichts mit “Zensur” oder “Einschränkung der Meinungsfreiheit” zu tun – beides Vorwürfe die dann häufig kommen. Wer trans-feindlichen Unsinn veröffentlichen will, kann das sehr leicht run, auf dem eigenen Twitter-Account, dem eigenen Youtube-Channel dem eigenen Blog, usw.

Öffentliche Plattformen gibt es mehr als genug und sie sind so leicht zugänglich wie nie zuvor. Es ist nicht an uns, denen die uns hassen einen Platz auf unseren Plattformen zu bieten. Wir sollten selbst über uns und unsere Themen sprechen, zu unseren eigenen Bedingungen, nicht zu deren. Trans-Feindlichkeit bekommt oft genug Reichweite und Prestige von der Mainstream-Presse geschenkt, sie braucht unsere Hilfe nicht und hat diese auch nicht verdient.

Wir sollten über unsere Perspektiven, unsere Lebensgeschichten und unsere Bedürfnisse sprechen. Wenn wir die Einwände von TERFs kommentieren wollen, dann ohne ihnen dabei Reichweite und direkte Aufmerksamkeit zu geben. Statt auf ihre Tweets zu antworten und uns damit in gesagte toxische Diskussion zu begeben können wir ihre Punkte mit eigenen Worten wiedergeben und die damit auch viel effektiver in Kontext setzen.

Was sollten wir unbedingt lassen?

Was TERFs oft tun, uns z.B. ihren Followern vorführen um Bestätigung zu erhalten und ggf. eine Meute auf uns zu hetzen, funktioniert nur in eine Richtung. Deren Publikum ist oft bereits stark radikalisiert und wird sich nicht umstimmen lassen wenn sie irgendwas vor die Nase gesetzt bekommen das eine trans Person gesagt hat. Im Gegensatz dazu haben wir oft Menschen in unserer Reichweite die entweder wenig mit Trans-Themen zu tun haben und lernen wollen, oder vielleicht nur etwas verunsichert und damit anfällig für Angst-basierte Manipulation sind. Mit Dingen wie Quote-Tweets erreichen wir vor allem eins: wir geben dendenjenigen die Hass gegen uns verbreiten wollen mehr Gelegenheit dazu. Auch wenn wir versuchen den Tweet in Kontext zu setzen oder ihn ins Lächerliche zu ziehen, die extra Reichweite bekommt er trotzdem. Das ist ungefähr so als würden wir einen trans-feindlichen Tweet auf ein riesiges Plakat drucken, in einer Fußgängerzone aufhängen, und uns dann daneben stellen um Passant*innen zu erklären warum er Unrecht hat. Einige würden uns vielleicht zuhören, aber viele würden auch nur das Plakat sehen und dessen Botschaft mitnehmen.

Außerdem verschaffen wir mit diesem direkten wiedergeben von hasserfüllten Botschaften auch mehr Zugang zu den betroffenen dieses Hasses. Andere trans Personen die uns zuhören bekommen so nur noch mehr von den Dingen vorgesetzt, was die Belastung und das Trauma davon unter Umständen noch verstärkt. Wir können und müssen besser aufeinander achten.